Dr. Ulrich Baumgartner, Fachmann IT- und Medienrecht, erklärt im Interview weshalb in der RTA-Branche noch immer Rechtsunsicherheit herrscht.

Osborne Clarke ist eine technologie-fokussierte Anwaltssozietät mit Wurzeln in Großbritannien. Advertising stand bereits bei der Gründung des Londoner Büros im Mittelpunkt. Heute ist Osborne Clarke eine der führenden Kanzleien im Bereich Online Werbung und Datenschutz und berät laufend wichtige Player auf dem RTA-Markt in ganz Europa. Dr. Ulrich Baumgartner ist Partner der Kanzlei und hat sein Büro in München. Er berät Unternehmen in allen Fragen des IT- und Medienrechts sowie im Rahmen von technologiebezogenen Transaktionen. Wir haben im Vorfeld der d3con , auf der er als Speaker anwesend sein wird, mit ihm ein Interview geführt. Viel Spaß beim Lesen!

OnlineMarketing.de: Was hat sich hinsichtlich der Gesetzgebung in der RTA-Branche in den vergangenen Jahren getan? Gab es irgendwelche großen Durchbrüche?

Ulrich Baumgartner: Aus rechtlicher Sicht gibt es (leider) keine großen Durchbrüche zu vermelden. Nach wie vor hinkt der Gesetzgeber, aber auch die Rechtsprechung, der extrem schnellen technischen Entwicklung hoffnungslos hinterher. Wenig überraschend hat der deutsche Gesetzgeber die E-Privacy-Richtlinie (auch Cookie-Richtlinie genannt) immer noch nicht umgesetzt. Es herrscht daher nach wie vor ein hoher Grad an Rechtsunsicherheit beim Einsatz von Cookies im RTA-Bereich. Auch die zunehmende Selbstregulierung der Branche konnte daran bislang nichts ändern.

Einen Schwerpunkt unserer Arbeit bildete daher auch in den vergangenen Jahren die Beratung zum rechtskonformen Einsatz der verschiedenen Profiling, Tracking und Targeting-Technologien. Die deutschen Datenschutzbehörden und Gerichte verfolgen diese Entwicklung eher kritisch. Da wir dazu kein brauchbares Gesetz haben, ist es oft eine Herausforderung, für Publisher undAdvertiser dennoch Lösungen zu finden, die sowohl rechtlich als auch in der Praxis funktionieren. Das macht unseren Job sehr spannend.

Datenschutz im Online-Marketing wird sicher auch in den kommenden Jahren ein heißes Thema bleiben. Was ist Ihre Prognose – wie sieht der Markt in 5 Jahren aus? Dürfen wir dann noch Cookies zum Tracking und Profiling nutzen?

Die rechtliche Unsicherheit, unter welchen Voraussetzungen Cookies in Deutschland rechtskonform genutzt werden dürfen, ist nach wie vor hoch.Allerdings haben andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Regelung der sog. Cookie-Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt. Mit höchst unterschiedlichen Ergebnissen. Mal ist eine ausdrückliche Einwilligung erforderlich, mal reicht eine Information der Nutzer aus. Eine EU-weit einheitliche Regelung ist nicht in Sicht, zumal die Verhandlungen über die viel zitierte EU-Datenschutzgrundverordnung ja zunächst mal gescheitert sind.Damit ist auch das aus meiner Sicht etwas praxisferne „Recht auf Vergessenwerden“ erst mal vom Tisch.

Meine persönliche Vermutung ist, dass sich die Rechtsunsicherheit rund um Cookies dadurch löst, dass es mittelfristig schlicht ganz neue Tracking-Möglichkeiten geben wird, etwa mit Hilfe von Device Identifiers oder Browser-Fingerprinting. Cookies helfen heute schon auf Mobile Devices nur sehr eingeschränkt. Das Wachstum des mobilen Internets und des Mobile Advertisings werden den Abschied von Cookies stark beschleunigen. Ich gehe davon aus, dass der Gesetzgeber mit einem verlässlichen Rechtsrahmen für Cookies so lange braucht, bis diese technisch überholt sind. Viel wichtiger wird es dann sein, wie man die neuen Tracking-Technologien rechtlich bewertet.

Ein Trend, der sich in diesem Zusammenhang seit längerem abzeichnet: Tracking und Profiling werden in Zukunft wohl deutlich strengeren Regeln unterliegen. Ein wichtiger Vorbote war dabei der Entwurf der EU-Datenschutzgrundverordnung: Die Verordnung sah eine sehr restriktive Regelung zur Bildung von Profilen vor. Auch wenn dieser Entwurf zur Zeit vom Tisch zu sein scheint, wird er in wohl ähnlicher Form bald wieder auf dem Tisch liegen. Diese Entwicklung sollten Advertiser und Publisher genau beobachten und sich frühzeitig darauf einstellen.

Aber lassen Sie uns nicht zu pessimistisch sein, es gibt auch große Chancen.Eines der großen und spannenden Zukunftsthemen im Online-Marketing der nächsten fünf Jahre wird das mobile Internet sein. Da stellen sich bereits heute ganz neue Rechtsfragen, etwa rund um Mobile Apps und zum Umgang mit Standortdaten. Auf welche Weise darf ein Advertiser etwa Standortdaten sammeln und was darf er damit anstellen? Diese Diskussion läuft in den USA bereits auf Hochtouren, bei uns fängt sie gerade erst an.

Sie werden aufgrund ihrer Fachkenntnisse im Datenschutz-Panel auf der d3con dabei sein. Was können wir von der Diskussionsrunde erwarten? Wie lauten die unterschiedlichen Meinungen zu diesem Thema?

Unsere Diskussionsrunde wird erörtern, wie die rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen derzeit aussehen und wie sie in Zukunft aussehen könnten. Dabei muss sich niemand vor einem trockenen Thema fürchten. Das Thema Datenschutz wird nicht nur heutzutage sehr emotional diskutiert. Sie dürfen also auf jeden Fall mit einer lebhaften Diskussion rechnen. Ich gehe fest davon aus, dass auch unsere Zuhörer kräftig mitdiskutieren werden. Ob es allerdings wirklich konträre Meinungen geben wird, wird sich zeigen. Wir sind gespannt.

Quelle: www.onlinemarketing.de